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Ausgewählte Gedichte für Senioren von Theodor Fontane (*1819 †1898)
Auf dieser Seite finden Sie die Gedichte Frühling, Treu-Lischen, Ueberlaß es der Zeit, Rückblick, So und nicht anders, Trost und Zuspruch von Theodor Fontane.
Gedichte und Bilder sind Gemeinfrei, sie können ausgedruckt werden, privat verwendet werden sowie für Ihre Seniorenpflege und Alltagsbetreuung eingesetzt werden.
Frühling
Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
„Er kam, er kam ja immer noch“
Die Bäume nicken sich’s zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum
Er sträubt sich, aber er muß.
Wohl zögert auch das alte Herz
Und athmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: „es ist erst März
Und März ist noch nicht Mai.“
O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh,
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag’s auch Du.
Treu-Lischen
„Mein Lischen, stell das Weinen ein,
Auf Regen folgt ja Sonnenschein,
Ich kehr’ mit Schwalb’ und Flieder
Und wohl noch früher wieder.“
Der Bursche sprach’s. Vom Giebeldach
Sah ihm Treu-Lischen lange nach,
Bis Hoffnung wiederkehrte
Und ihren Thränen wehrte.
Die Aeuglein wurden wieder klar,
Das Herze jeden Kummers bar,
Sie wußte: mit dem Flieder
Kam ihr der Liebste wieder.
Der Frühling kam mit Duft und Klang,
Treu-Lischen harrte mondenlang,
Herbstwind durchfuhr den Garten, –
Vergeblich war ihr Warten.
Wohl kam der Frühling viele Mal,
Ihr Liebster nimmermehr in’s Thal,
Doch Lenz um Lenz auf’s Neue
Rief sie: „nun kommt der Treue!“
Es konnt’ ihr Herz, das Jahr um Jahr
Dem Liebsten treu geblieben war,
Es konnt’s ihr Herz nicht fassen,
Er habe sie verlassen.
Grau ward ihr Haar, welk ihr Gesicht,
Das Alter kam, sie wußt’ es nicht,
Ihr Hoffen und ihr Lieben,
Ihr Herz war jung geblieben.
Und als der Tod sie heimgeführt,
Hat ihn das treue Herz gerührt,
Und mit des Liebsten Mienen
Ist er vor ihr erschienen.
Ueberlaß es der Zeit
Erscheint Dir etwas unerhört,
Bist Du tiefsten Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuch’s nicht mit Streit,
Berühr es nicht, überlaß es der Zeit.
Am ersten Tage wirst Du feige Dich schelten,
Am zweiten läßt Du Dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hast Du’s überwunden,
Alles ist wichtig nur auf Stunden,
Aerger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.
Rückblick
Es geht zu End’, und ich blicke zurück.
Wie war mein Leben? wie war mein Glück?
Ich saß und machte meine Schuh’;
Unter Lob und Tadel sah man mir zu.
„Du dichtest, das ist das Wichtigste…“
„‚Du dichtest, das ist das Nichtigste.‘“
„Wenn Dichtung uns nicht zum Himmel trüge…“
„‚Phantastereien, Unsinn, Lüge.‘“