Heut abend, als wir zu euch zu euch gingen, da war in der Luft ein leises Klingen, da war ein Rauschen, man wußt’ nicht woher, als ob man in einem Tannenwald wär, da huschte vorüber und ging nicht aus ein heimliches Leuchten von Haus zu Haus. Der Mond kam über die Dächer gesprungen:
"Wohin noch so spät, ihr kleinen Jungen? Ihr müßt ja zu Bett, was fällt euch ein?" und lachte uns an mit vollem Schein.
Da lachten wir wieder: "Du alter Klöner, heut abend ist alles anders und schöner. Und glaubst du’s nicht, kannst mit uns gehen, da wirst du ein blaues Wunder sehn." Da sprang er leuchtend uns voran, bei diesem Hause hielt er an.
Wir gingen hinein mit froher Begier, und Klingen und Rauschen und Leuchten ist hier.
Still ist die Nacht; in seinem Zelt geboren, der Schriftgelehrte späht mit finstren Sorgen, wann Judas mächtiger Tyrann erscheint; den Vorhang lüftet er, nachstarrend lange dem Stern, der gleitet über Äthers Wange, wie Freudenzähre, die der Himmel weint.
Und fern vom Zelte über einem Stalle, da ist’s, als ob aufs nied’re Dach er falle; in tausend Radien sein Licht er gießt. Ein Meteor, so dachte der Gelehrte, als langsam er zu seinen Büchern kehrte. O weißt du, wen das nied’re Dach umschließt?
In einer Krippe ruht ein neugeboren und schlummernd Kindlein; wie im Traum verloren die Mutter knieet, schlichter Mann rückt tief erschüttert das Lager ihnen; seine Rechte zittert dem Schleier nahe um den Mantel noch.
Und an der Türe steh’n geringe Leute, mühsel’ge Hirten, doch die ersten heute, und in den Lüften klingt es süß und lind, verlor’ne Töne von der Engel Liede: "Dem Höchsten Ehr’ und allen Menschen Friede, die eines guten Willens sind."
Die fremde Stadt durchschritt ich sorgenvoll, der Kinder denkend, die ich ließ zu Haus. Weihnachten war’s, durch alle Gassen scholl der Kinderjubel und des Markts Gebraus.
Und wie der Menschenstrom mich fort gespült, drang mir ein heiser Stimmlein in das Ohr: "Kauft, lieber Herr!" Ein magres Händchen hielt feilbietend mir ein ärmlich Spielzeug vor.
Ich schrak empor, und beim Laternenschein sah ich ein bleiches Kinderangesicht; wes Alters und Geschlecht es mochte sein, erkannt’ ich im Vorübertreiben nicht.
Nur vor dem Treppenstein, darauf es saß, noch immer hört’ ich, mühsam, wie es schien: "Kauft, lieber Herr!" den Ruf ohn’ Unterlaß; doch hat wohl keiner ihm Gehör verliehn.
Und ich? War’s Ungeschick, war es die Scham, am Weg zu handeln mit dem Bettelkind? Eh’ meine Hand zu meiner Börse kam, verscholl das Stimmlein hinter mir im Wind.
Doch als ich endlich war mit mir allein, erfaßte mich die Angst im Herzen so, als säß’ mein eigen Kind auf jenem Stein und schrie nach Brot, indessen ich entfloh.